Wenn Württemberg als bestbeschriebenes deutsches Land gilt, so hat daran unser am 8.Juni 1950 im Alter von fast 79 Jahren verstorbenes Ehrenmitglied Julius Wais hervorragenden Anteil. In seinem langen Leben hat er insgesamt zwölf Wanderführer herausgegeben, die in 40 Auflagen eine Zahl von 250 000 erreichten.
Seine publizistische Tätigkeit begann Julius Wais mit einem Bericht über eine 10tägige Albwanderung, der 1897 in den Albvereinsblättern als Anfang einer langen Reihe von Wanderberichten erschien. Diese Wanderberichte, zahlreiche Anfragen nach schönen Albwanderungen, nach Unterkünften und das Fehlen von Wanderbeschreibungen über die ganze Alb veranlassten Wais, sich mit der Herausgabe eines Albführers zu befassen. Von etwa 1900 an widmete er seine Freizeit dieser Arbeit, und schon 1903 erschien als etwas Neues der erste „Albführer", der 1906 die zweite und verbesserte Auflage erfuhr. Rasch nacheinander folgten dann ein „Bodensee-Führer", ein „Schwarzwaldführer", der „Wohin" und später „Ausflüge rund um Stuttgart", zwei „Allgäu-Führer", ein „Vorarlberg-Führer", der „Schwäbische Skiführer" und anderes. Ein schon sehr weit gediehener „Vogesenführer" konnte wegen Ausbruch des Weltkrieges nicht mehr erscheinen.
Julius Wais hat seine Führer nicht auf Grund von Fragebogen, die er an Verkehrsvereine und Bürgermeister sandte, zusammengestellt, sondern er hat sie im wahrsten Sinne des Wortes erwandert. Sie sind eine Zusammenfassung bestimmter Wanderungen mit zuverlässigen Zeit- und Entfernungsangaben, Wegbezeichnungen, Schilderungen der Aussicht mit geologischen, geschichtlichen, kunst- und kulturgeschichtlichen Hinweisen. Als ein Ausschuss-Mitglied des Schwarzwaldvereins Julius Wais einmal den Rat gab, doch das alte Rezept anzuwenden: „Man nehme drei Bücher und mache ein viertes daraus", erwiderte er: „Meine Führer werden in der grünen Natur gemacht und nicht am grünen Tisch!"
Zehntausende von Kilometern hat Julius Wais in seinem Leben auf Wanderungen zurückgelegt, nicht nur im Lande selbst, er machte auch große Reisen. Er wurde einer der besten Kenner unseres Schwabenlandes. Seiner ganzen Art nach war er der gegebene Mann für die Bearbeitung von Wanderführern. Diese Arbeit wäre niemals möglich gewesen ohne großen Idealismus und unbedingte Opferbereitschaft an Zeit und Geld. Durch seine Arbeit hat er die Tätigkeit der Wandervereine befruchtet und sehr gefördert. Der Schwäb. Albverein hat ihn deshalb aus Anlass seines 50jährigen Jubiläums zum Ehrenmitglied ernannt, nachdem ihm schon vorher die Ortsgruppe Stuttgart die Ehrenmitgliedschaft verliehen hatte. Anlässlich seines 80. Geburtstages wollten wir den verdienten Mann in besonderer Weise ehren. Leider durfte er das nicht mehr erleben. Im letzten Jahr fing er an zu kränkeln. Er musste sich einer längeren Krankenhaus-Behandlung unterziehen. Nach seiner Entlassung schien eine Besserung eingetreten zu sein. Am 8.Juni, eine oder zwei Stunden vor seinem Tode, schrieb er mir noch, dass es ihm allmählich besser gehe; er sei aber noch schonungsbedürftig und könne deshalb an der Uracher Albvereinstagung zu seinem Bedauern nicht teilnehmen. Dieses Schreiben brachte er selbst zum Briefkasten. Wahrscheinlich nur wenige Minuten nach der Rückkehr in sein Heim im Pfaffenweg in Stuttgart traf ihn ein Schlag, der rasch zum Tode führte.
Mit Julius Wais hat die deutsche Wandersache einen ihrer verdientesten Männer verloren. Der Verstorbene gehörte zu den Stillen im Lande, denen die Erfüllung einer Aufgabe der Inhalt ihres Lebens ist und die wenig reden, aber viel arbeiten. Wir werden dem toten Wanderer jederzeit in dankbares Gedenken bewahren. Dass seine Tochter, Dr.Ruth Wais, sein Werk weiterführt, lindert unseren Schmerz um den Verlust dieses braven und so unermüdlich tätig gewesenen Wanderfreundes. Wir wollen unser Teil beitragen, dass der längst vergriffene „Albführer" bald neu erscheint.
Georg Fahrbach (1950)