Im Gegensatz zu der bisher so klaren, einheitlichen Anordnung des Gebirgs zwischen Härtsfeld und Heuberg - Steilabfall gegen den Neckar, Flachseite gegen die Donau, Spaltung durch wenige Quertäler in ausgedehnte Hochplattenstücke - wird die Bauweise in dem südwestlich vom Heuberg beginnenden Grenzgebiet verwickelt und verworren. An Stelle der Tafeln treten langgestreckte Rücken, die schon den Übergang zum Schweizer Kettenjura bilden. Mit dem Aufhören des Neckartals verliert sich auch der nordwestliche Steilrand. Die Donau bildet nicht mehr die Südgrenze des Albwalls, sondern wird von ihm übersprungen und erscheint nunmehr als Binnental. An ihrer Stelle tritt nun auf der Südseite die tief eingesunkene Rheintalspalte mit der Hegauniederung und dem Wutachtal dicht an die Alb heran und nötigt sie, ihre Front völlig zu verändern, so dass auf einmal die Südseite zum Steilabfall wird, ja schließlich beim Randen, wo der Albwall vom Schwarzwald südwärts gedrängt wird und die Wutach sich einen Ausweg zwischen beiden Gebirgen gezwungen hat, ein Steilabfall nach beiden Seiten hin eintritt. - In landschaftlicher Hinsicht ist dieses geognostisch hochinteressante Grenzgebiet sehr ungleich. Die Neckarseite, wo das allmählich zur Hochebene gewordene Vorland die Berge fast zu Hügeln herabdrückt, ist minderwertig. Unbedeutend ist auch das im Innern durchziehende Donautal von oben an bis zur Einmündung der Beera (Bära), während es von da an bis zum Albaustritt bei Sigmaringen wertvoll wird. Gleich wertvoll, aber wieder in ganz anderer Art, sind auch die Steilabfälle gegen die Rheinseite. Das Wertvolle aber ist hier nicht bloß von guter, sondern ohne jeden Übergang gleich von so ausgesucht vorzüglicher Art, dass die Glanzteile dieses südwestlichen Grenzgebiets den gefeiertsten Landschaften der mittleren Alb an Schönheit ebenbürtig, an Großartigkeit überlegen sind und für eine Albreise den denkbar passendsten Schluss bilden.
Baar oder genauer Baaralb (weil zu Baar im weiteren Sinn auch das Vorland zwischen Alb und Schwarzwald gerechnet wird) heißt der Gebirgsteil zwischen Neckar und Donau, den die Prim-Faulenbach-Spalte vom östlich benachbarten Heuberg trennt. Aus den vorangeschickten Übersichtsworten wird der Leser bereits die Lehre entnommen haben, dass er dieses Berggebiet, wenn nicht ganz übergehen, so doch kurz abmachen kann. Nicht als ob die Baaralb ganz der landschaftlichen Reize entbehrte. Nein, wir finden hier auf der Neckarseite der Baaralb noch einmal einen so hübschen Kegelberg, wie die Alb seit dem Hohenzollern keinen mehr aufzuweisen hatte: den Hohenkarpfen (909 m), dem als Gegenstück der sargähnliche Hohenlupfen (977 m) zur Seite steht.
Aber der flüchtige Reisende mag sich begnügen, diese Berge, wenn er sie nicht schon vom Heuberg her kennt, von der Stadt Rottweil aus zu betrachten, nach der er einen Abstecher keinesfalls versäumen wird. Wer aber die Alb ausführlicher bereist und der Baar einen persönlichen Besuch nicht versagen will, dem raten wir, weder den kahlen Hohenkarpfen zu besteigen, wo wieder das schönste Schmuckstück im Aussichtsbilde fehlt, noch den bewaldeten Hohenlupfen, wo das Dickicht jede Ausschau verhindert, sondern einen dritten Punkt aufzusuchen, von wo er den Anblick beider Berge genießen kann. Als ein solcher empfiehlt sich der Seitinger Kirchberg (742 m), ein ganz niedriger Hügel, wo man aber so recht inmitten der Baarlandschaft steht und bei der Euchariuskapelle (fünf Minuten nördlich von der Pfarrkirche) alle wesentlichen Punkte der trotz ihrer Höhe recht fruchtbaren, freundlichen Gegend zu einem geschlossenen Rundbild vereinigt sieht: links Karpfen, rechts Lupfen, geradeaus die Seitinger Kirche mit Durchblick durchs untere Eltatal. - Einen noch leichter zu erreichenden Punkt, der landschaftlich noch bedeutender, ja wohl der Glanzpunkt der Baar ist, findet man, wenn man von der Bahnstation Wurmlingen den Fahrweg über den Unteren Berg (einen Teil des namenlosen Waldrückens zwischen Elta und Faulenbach, 877 m) nach Seitingen einschlägt und nach dem Waldaustritt (eine halbe Stunde von Wurmlingen) bei einem Kruzifix das Auge aufschlägt. Hier drängen sich die Reize der Baaralb noch enger zu einem Kunstgemälde zusammen. Die Lücken zwischen Karpfen (links), Lupfen (rechts) und Seitinger Kirchberg (in der Mitte) sind je durch ein Dorf (Hausen ob Verena, Gunningen, Durchhausen) wunderhübsch ausgefüllt. - Ein dritter hübscher Punkt ist der Konzenbergsattel (716 m) bei der Ruine Konzenberg an der Straße von Seitingen nach Tuttlingen oder Möhringen, wo der Hohenkarpfen mit dem vorgelagerten Dorf Seitingen ein von den Waldwänden des Eltatals reizend eingerahmtes Bild gibt.
Lohnt somit die Neckarseite der Baaralb wohl noch den kleinen Zeit- und Kraftaufwand eines Besuchs, so möchten wir von Fußwanderungen auf der Donauseite der Baaralb geradezu abraten. Zwar ist auch hier, wo unterhalb Donaueschingen die junge Donau zum erstenmal in den Jurawall einbricht, der Gebirgssaum auf beiden Seiten des Flusses durch je einen kegelförmigen Vorberg geziert, links den vulkanischen Wartenberg bei Geisingen (846 m), rechts den höheren Fürstenberg bei Neudingen (918 m). Aber beide ziemlich flach gebauten Kegel genügen nicht, um den ungünstigen Eindruck dieser kahlen Sumpfgegend zu verwischen, die von den Reizen des nahen Schwarzwalds noch wenig verspüren lässt. Es genügt also, dies Landschaft vom Eisenbahnwagen aus zu betrachten, den der Reisende etwa zur Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Fürstenbergischen Residenz oder zum Zweck eines Abstechers in den Schwarzwald besteigen wird.
Wer dennoch der Gegend einen Fußmarsch widmen will, möge als Ziel nicht den Wartenberg wählen, der zwar oben ein bewirtschaftetes Lustschlösschen, aber keine über die nähere Umgebung hinausreichende Aussicht hat, sondern eher den Fürstenberg, der Fernblicke nach der Wutachgegend, zu den Alpen, dem Schwarzwald und dem Schweizer Jura gewährt - freilich lauter Herrlichkeiten, die zwei Stunden weiter südlich auf den Höhen des Randen noch viel vollkommener zu schauen sind.
Der Fürstenberg gehört eigentlich nicht mehr zur Baar im engern Sinn, sondern zu einem abgesonderten Waldhöhenzug, der den Zwischenraum zwischen dem Donautal und dem parallel laufenden, noch einförmigeren Aitrachtal ausfüllt und die Länge heißt (höchster Punkt 924 m). Es ist das unansehnlichste, langweiligste Stück des ganzen Albgebiets. Und doch wird auch dieser Teil der Schwabenalb wenigstens an einer Stelle von landschaftlichem Glanz bestrahlt, nämlich an seiner Westspitze bei Blumberg, wo plötzlich die Wutach aus tiefer Schwarzwaldschlucht hervorrauschend sich am Jurafels bricht und dem Eichberg, der westlichsten Ecke der Schwäbischen Alb, zu einer Steilwand von fast 400 m verhilft. Und damit kommen wir auf den merkwürdigen Rheinabfall der Alb zu sprechen, der sich wieder in zwei gänzlich verschiedene Landschaftsstücke teilt: die Schwarzwaldseite oder das Wutachgebiet und die Bodenseeseite oder den Hegau.
Die Albschriftsteller glauben noch immer, sich entschuldigen zu müssen, wenn sie den Hegau überhaupt in den Kreis ihrer Betrachtung ziehen. Diese Bescheidenheit sollten sie sich nachgerade abgewöhnen. Der Umstand, dass der Hegau zum größten Teil auf badischem Gebiet liegt, kann doch wohl keine Rolle spielen. Die Grenzpfähle der deutschen Einzelstaaten sind heutzutage nicht mehr so wichtig, dass wir es für nötig finden würden, den deutschen Jura in eine württembergische, bayrische, preußische und badische Alb einzuteilen. Und dass der Hegau wegen des unbedeutenden Anteils, den die Schweiz an ihm hat, etwa schon zum Schweizer Jura zu rechnen sei, das haben die Schweizer niemals beansprucht. Als ausschlaggebender für die landschaftliche Zuteilung sehen wir heutzutage die Gesteinsbildung an. Und da wird gegen die Zugehörigkeit zur Alb ins Feld geführt, dass die Vorberge des Hegaus aus vulkanischen Steinen bestehen. Aber vulkanische Ausbruchgebiete sind ja der Schwäbischen Alb nicht fremd, sondern spielen auch an zwei anderen Stellen eine wichtige Rolle; und es ist im Gegenteil bezeichnend für die Ebenmäßigkeit des Gebirgsaufbaus, dass dem Ausbruchgebiet an der Nordostgrenze und in der Mitte auch ein solches an der Südwestgrenze entspricht. Denn dass auch diese Vulkangruppe nicht etwa bloß zufällig in die Nähe der Alb gerückt ist, sondern mit ihr in innerem Zusammenhang steht, das zeigt sich deutlich daran, dass mehrere der Vulkanstellen, z.B. der Neuhöwen, inmitten des Jurawalls liegen und eine von ihnen, der Wartenberg, sogar an den entgegengesetzten Rand desselben vorgeschoben ist. Dass aber die zusammenhängende Masse des Hegaugebirgs bis zum Randen und Klettgau hinüber aus echtem Juragestein besteht, ist eine Tatsache, an der auch der Umstand nichts ändert, dass tertiäre oder diluviale Sand- und Kiesschichten, wie am ganzen Südostsaum der Alb, stellenweise darüber hingeschoben sind.
Wenn wir in Bezug auf landschaftliche Schönheit den Hegau zu den allerhervorragendsten Gegenden nicht nur der Alb, sondern ganz Deutschlands rechnen, so sprechen wir damit wohl nur ein allgemein anerkanntes Urteil aus. Schon die Gruppe der vier Hauptberge würde für sich allein betrachtet, ganz abgesehen von ihrer Umgebung, das Urteil rechtfertigen. Wo in aller Welt findet man so leicht wieder eine Brüderschar solch sprechender, abenteuerlicher, phantastischer, frei in die Ebene hineingestellter Berggestalten? Der Hohenhöwen, eine ideal geformte Hochkuppe; der Hohenstoffel, ein breitspuriger Doppelhöcker; der Hohentwiel, ein trotzig überhängender Felsklotz; der Hohenkrähen, ein spukhaft steiler Felsenturm; alle mit sagenumsponnenen Burgruinen gekrönt, alle von einander so grundverschieden und doch so trefflich zusammengestimmt! Nimmt man noch hinzu den sonstigen Ausputz der Landschaft: den herumlagernden Dienertroß kleinerer Hügel und Burgen, unter denen sich der Mägdeberg mit seiner ansehnlichen Ruine und das "Friedinger Schlößle" auf seinem niedlichen Hügel hervortun, den bunten Teppich des dörferreichen, von den Flüßchen Aach und Biber durchschlängelten Talgrundes, an dessen Hängen wir auch wieder der Weinrebe begegnen, den klaren Spiegel des nahen Bodensse mit der glänzenden Perlenschnur seiner Uferorte und endlich in weitem Halbrund die gewaltige Alpenkette wie ein Edelsteinrahmen um ein kostbares Gemälde -, so haben wir ein Meisterstück deutscher Landschaft, wie es der einbildungsreichste Künstler nicht vollkommener zusammenträumen kann.
So wird denn auch jeder echte Deutsche, nicht bloß jeder echte Württemberger, es als eine seiner Aufgaben ansehen, wenigstens den berühmtesten dieser Berge, den Hohentwiel (689 m), einmal in seinem Leben bestiegen zu haben. Und er tut recht daran. Der Hohentwiel ist nicht bloß das schönste Schmuckstück des Hegaus, sondern auch einer seiner vortrefflichsten Aussichtspunkte. Er hat vor seinen Nachbarn den Vorzug, dass die Aussicht nach allen Seiten Fesselndes und nach jeder Seite wieder etwas Neues bietet: im Osten der Bodensee, südlich die Schweizer Alpen mit Vorland, südwestlich der Schweizer Jura, westlich der Schwarzwald, nordwestlich die Hegauvulkangruppe, nördlich der Albrand - so lagern sich in übersichtlichen Stücken die Hauptbestandteile der Gegend um die von Geschichte und Dichtung verklärte Felsenfeste herum, wie die Provinzen eines Reichs um den Herrschersitz. - Aber auch jeder andere der Hegaukegel bietet reichen Landschaftsgenuss und jeder bringt vermöge der Verschiebungen des Vordergrunds irgend einen neuen Zug. Namentlich die beiden Riesen des Hegaus, der Hohenhöwen (848 m) und der Hohenstoffel (846 m), lohnen ausserordentlich einen Besuch, ersterer - von Engen aus bequem erreichbar - vermöge seiner vollkommenen Übersicht über das ganze Hegaugebiet, letzterer - freilich ziemlich abgelegen - vermöge des überaus malerischen Blicks auf Hohentwiel und Bodensee.
Und doch - selbst an diesen klassischen Aussichtspunkten wagt der anspruchsvolle Kritiker etwas auszusetzen; ja er weiss sogar nicht weniger als drei Fehler zu notieren. Der erste, mehr äußerliche Fehler, der aber für den Reisenden der fühlbarste ist und ihm im Hochsommer die Bereisung des Hegaus zur Qual machen kann, besteht darin, dass jeder der genannten Gipfel eine besondere Besteigung erfordert und eine Verbindung mehrerer derselben zur Durchquerung tiefer, meist schattenloser Talniederungen nötigt. ein zweiter, der Aussicht selbst anhaftender Fehler besteht darin, dass die Hegaulandaschaft auf der Nord- und Westseite von einem kahlen, wenig gegliederten Höhenwall begrenzt wird, mit dem das Auge wenig anzufangen weiss und mit dem sich ein öder Zug in das sonst so lebhafte Rundbild einschleicht. Ein dritter Fehler besteht in der uns nachgerade geläufigen Erfahrungsregel, dass durch die Ersteigung eines schönen Bergs stets gewissermassen ein Raub an der Landschaft begangen wird. Wenn auch jeder der Prachtgipfel des Hegaus immer noch die Aussicht auf eine Mehrzahl gleich edler Nacbarn besitzt, so ist's eben doch noch schöner, wenn alle Hauptpunkte im Rahmen des Aussichtsbildes vereinigt sind.
Der letzterwähnte dieser Mängel ist am leichtesten zu beseitigen, indem man nämlich irgend eine der zahlreichen Randhöhen des Hegaus aufsucht, wo die Vulkangruppe als Gesamtbild dem Beschauer gegenübertritt, z.B. die nicht mehr zur Alb, sondern zum Gletscherschutt des Alpenvorlands gehörigen Höhen am Bodenseerand, wie im Süden den geologisch interessanten Schienerberg (700 m), wo die leider derzeit sehr verwachsene Aussicht der herrlich gelegenen Schrotzburg bie Bohlingen (Bahnstation Ramsen oder Stein) eine ausgezeichnet gruppierte Gesamtansicht der Hegaugipfel gewährt (Twiel vorn in der Mitte, von Stoffeln und Höwen umstellt), oder im Osten die anmutige Ruine Homburg ob Stahringen (622 m), wo ausser dem lieblichen Untersee auch ein hübsches Stück des nahen Überlinger Sees die Rundschau bereichert. Aber auch das sind lauter Einzelgipfel, die sich nicht zu Höhenwanderlinien verbinden lassen, wie der verwöhnte Albreisende sie begehrt; und sie haben erst recht den Nachteil, dass anstatt der erhabenen Firnenzacken des Hochgebirgs der langweilige Randwall des Hegaus den Hintergrund der Landschaft bildet.
Aber es gibt ein Rezept, um auch diese beiden Schäden zu heilen. Es ist eigentlich das Ei des Kolumbus, und der geneigte Leser, der unserer landschaftlichen Forschungsreise bisher mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, wird es vielleicht schon erraten haben. Man besteige einfach jene Höhenmauer selbst, die so langweilig anzusehen ist; dann stört sie das Landschaftsbild nicht mehr, und dann findet auf einmal auch das Bedürfnis nach zusammenhängenden Höhenwanderungen ausgiebige Befriedigung. - Wer sich den besagten Höhenzug zum Ziel nimmt, der ja nichts anderes ist, als der Kamm unserer Schwäbischen Alb zwischen Donautal und Rheinebene, wird seine Erwartungen nicht nur bestätigt, sondern noch weit übertroffen finden. Nicht zum Rundbild verteilt, sondern zu geschlossenem Prachgemälde vereinigt liegen hier alle Reize der Hegaulandschaft vor dem entzückten Auge: die wunderbare Vulkangruppe, der fruchtbare Talboden, die blauschimmernde Seefläche, der erhabene Alpenhintergurnd. Und auch der Standort selbst erweist sich gar nicht so übel, wie es von der Ferne scheint. Erfrischende Höhenluft, leichte Aufstiege von der hochgelegenen Donauseite her, bequeme, ebene Höhenwege, Waldstrecken, die reichlich genug sind, um Erquickung und Abwechslung zu bieten, und sparsam genug, um die Ausschau nicht zu hindern, auch da und dort ein Wirtshaus auf der Kammhöhe - also alles, was dem Wanderer nützt und frommt. Dabei fügt sich die nächste Umgebung trotz ihrer Einförmigkeit mit ungeahntem Wohlklang in die Gesamtstimmung, ja sie erhöht diese durch den wirksamen Gegensatz zwischen dem rauhen Ernst hier oben und der lachenden Pracht dort unten. Und während bei Wanderungen im Vulkanvorgebirge der Genuss durch die Zugänge und Anstiege immer halb vorweg genommen wrd, erlebt der Wanderer hier auf dem Albkamm Überraschungen von gelungenster Art, wenn er aus einem der öden Hochtäler der Donauseite ansteigend sich mit einem Schlag an den Rand des Paradieses versetzt findet.
Wer schon einmal auf dem "Witthoh" gewesen ist, der ja von Württemberg aus nicht selten besucht wird, wird sich beim Lesen dieser Schilderung bereits lebhaft jenes herrlichen Punktes erinnert haben.
Aber der Witthoh ist nicht der einzige, nicht einmal der vollkommenste Aussichtspunkt dieser Art. Der ganze Gebirgskamm der Hegau-Alb (im weiteren Sinn) von der Meßkircher Gegend bis zur Südspitze des Randen bildet eine ununterbrochene Kette solcher Prachtaussichten. Drei Teilstrecken sind zu unterschieden. Der erste Teil, ein durch die Donau abgetrenntes Stück des Heubergs, das sich von der Hattinger Mulde (Bahnlinie Immendingen - Engen) nordostwärts zieht, heißt die Eck und ist zur Hälfte noch württembergisch (höchster Punkt 876 m); das Mittelstück von Hattingen bis Kommingen, den Hegaugipfeln am nächsten und vielfach mit Basaltstellen durchsetzt, nennen wir die mittlere Hegaualb (oder Hegaualb im engeren Sinn, von Engel „Donauranden" genannt, höchster Punkt 867 m); das südwestliche Stück vom Aitrachursprung bis zum Rheinfall heißt der Randen (höchster Punkt 924 m).
Von den Aussichtspunkten der "Eck" liegt der schon erwähnte "Witthoh" bei Hattingen, der übrigens richtiger Windegg genannt wird (höchster Punkt 862 m), bei weitem am günstigsten. Weiter nordöstlich verflacht sich der Kamm und entfernt sich zu weit von den Hegaukegeln. Umsomehr können wir dem Wanderer das südwestlich angrenzende Mittelstück der Hegaualb empfehlen, dessen Hauptpunkt, der Neuhöwen bei Stetten ("Stettener Schlößle", 869 m) mit dem Witthoh durch eine im Waisschen Führer beschriebene Kammwanderung verbunden oder auch von der Aitrachbahn in einer Stunde (am besten von der Station Kirchen-Hausen durch das "Kiltel" an der Ruine Sunthausen vorbei) erreicht werden kann. Dieser höchste Punkt des Hegaus gewährt aus den Fensterhöhlen der Ruine eine Rundsicht, die derjenigen des Witthoh sehr ähnlich ist, aber sie noch übertrifft, sowohl an Umfang wegen der höheren Lage und der kegelartigen Erhöhung des Gipfels, als an Schönheit wegen der größeren Nähe der Hegaukegel und des dichteren Herantretens der Seeufer an ihren Fuß. - Aber selbst dieser mit Recht berühmte und in Scheffels Juniperus besungene Glanzpunkt lässt noch einen Wunsch übrig. Wir stehen hier immer noch nicht so unmittelbar am Rand der Tiefebene, wie wir es vom Neckartrauf der Alb gewohnt sind. Ein noch ziemlich hoher, einförmig gestalteter Höhenzug trennt uns von dem Talboden, aus dem die Hegaukegel aufsteigen, und ist dem freien Einblick hinderlich. Wir haben den Eindruck, zwar den umfassendsten Aussichtspunkt der Gegend erreicht zu haben, aber noch künstlerisch vollkommenere Ansichten entdecken zu können, wenn wir weiter südwärts an den äussersten Rand des Kamms vorzudringen versuchen, wo sich der Wuchs der Hegauriesen aus der Nähe von der Wurzel beobachten lässt.
Das Unternehmen wird reichlich belohnt. Schreiten wir vom Stettener Schlößle (Neuhöwen) auf dem Hauptgebirgskamm (Wasserscheide Donau/Rhein) zwischen den Dörfern Stetten und Leipferdingen hindurch südwärts, so gelangen wir nach einer starken halben Stunde auf eine bewaldete Anhöhe namens Brand (815 m), die eine Art Knotenpunkt bildet, insofern sich von hier ein Zweigkamm ("Engener Höhe") ostwärts nach der Stadt Engen hin senkt, während der Hauptkamm südwestwärts zum Randen hin weiterführt. Der sanft gewellte, bequem zu beschreitende Kamm nach beiden Seiten hin, so unscheinbar er an Gestalt ist und so wenig Beachtung er bisher bei den Gebirgsvereinen und Fremdenführern gefunden hat, enthüllt sich uns als eine Panoramastrecke von so erlesener Art, dass ich es wagen möchte, ihr den ersten Preis im Wettbewerb so vieler herrlicher Ansichten des Hegaus zuzuerkennen. Am empfehlenswertesten, weil überraschendsten ist's, von der Aitrachtalbahn (Station Leipferdingen oder Riedöschingen) die Kammhöhe zu ersteigen und von da in der Richtung nach Engen zu wandern. Der Verfasser hat den dreistündigen Höhenspaziergang von Leipferdingen bis Engen an einem der heissesten Tage des tropischen Sommers 1904 gemacht, als von den Alpen gar nichts und vom Bodensee nur eine Ahnung zu sehen war, und war dennoch hochbefriedigt von der Fülle mächtiger Eindrücke, die allein die Gruppe der nahen Hegaukegel erzeugt, wie sie während des ganzen Wegs, ihre Stellungen wie in kunstgerechten Tanzfiguren wechselnd, den Wanderer begleiten. Der erste Anblick des formbewegten Prachtbilds, wenn man sich aus dem trostlos langweiligen Aitrachtal durch eine kahle Mulde emporgearbeitet und bei dem Waldstück Doggenhardt (802 m) die Passhöhe der Straße Leipferdingen - Watterdingen erreicht hat, wirkt geradezu verblüffend und lockt den schlechtesten Zeichner, die Hauptzüge des Bildes mit einigen Strichen festzuhalten: zu Füßen den hellen Bibertalgrund mit dem Dorf Watterdingen, umgeben von Höwen und Stoffeln, dazwischen Twiel und als Doppelhöcker Krähen-Mägdeberg. Nicht minder wird der Blick gefesselt, wenn eine Viertelstunde nordöstlich am Waldrand des Haslehofs der Hohenkrähen seinen Trotzkopf in den Bodenseespiegel taucht; - oder wenn nach einer weiteren Viertelstunde am Waldanfang des schon erwähnten Brand der Krähen sich versteckt hat, aber die drei größeren Kegel eine ebenmäßig gestellte Gruppe bilden, die an das uns von früher her bekannte Glanzbild des Bernhardus oder Hornbergs bei Gmünd erinnert; - oder wenn an der jenseitigen (südöstlichen) Waldecke des Brand, einem köstlichen Rastplatz, der Krähen links wieder hinter dem Höwen vorgeschlüpft ist und die nahe Waldkuppe "Oberhölzle" sich an der Gruppenstellung beteiligt und den Hohenhöwen als Herrscher in die Mitte nimmt, während im Rücken das Zimmerholzer Tal mit Neuhöwen und Windegg das Aussichtsbild bereichert; - oder wenn endlich auf dem letzten Höhepunkt, dem kahlen Ballenberg bei Engen (712 m), der dörferbelebte Aachtalgrund freiliegt und die Hegaugipfelgruppe in stufenartigem Aufbau aus ihm emporsteigt.
Auch wer von der Leipferdinger Passhöhe den Kamm in entgegengesetzter Richtung, also südwestwärts, verfolgt, findet auf der Strecke von da bis Kommingen ähnlich günstige Standpunkte (z.B. bei der
Das Wutachgebiet war bis zum letzten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts eine der weltentlegensten Gegenden, die höchstens dem Steinforscher als Kampfplatz der Alb- und Schwarzwaldgesteine oder dem Dichtungsbelesenen als Schauplatz des Scheffelschen Heldengedichts Juniperus bekannt war. Jetzt hat eine Reihe von Errungenschaften der Neuzeit den Besuch dieses merkwürdigen Grenzgebiets so leicht und lohnend gemacht, dass seine Einbeziehung in eine zusammenhängende Albreise nicht unterbleiben sollte: die Strategische Bahn Immendingen - Waldshut mit ihrem schraubenförmigen Kunstbau von Zollhaus bis Weizen, der Ausbau der Höllentalbahn, der die Zugänge von der Schwarzwaldseite her erleichtert, und der Wegbau durch die wilde Wutachschlucht von Grimmelshofen bis Bad Boll.
Das Schönste des Wutachgebiets wird stets die große Kammwanderung über den Randen bleiben, sei es, dass sie an die Hegaukammwanderung angeschlossen oder besser für sich allein von der Station Zollhaus-Blumberg aus angetreten wird. Der Randen, der sich als mächtiger Scheidewall zwischen der Bodenseegegend und dem Schwarzwald vom Aitrachquell südwärts zieht, um beim Rheinfall den Anschluss der Schwabenalb an den Schweizer Jura zu suchen, ist so recht ein Schlüssel der Gegend; denn er beherrscht wie kein anderer Standort beide so wesensverschiedenen Landschaften zugleich: zur Linken begleitet ihn auf der ganzen Länge seines Kamms noch die heitere Prachtlandschaft des Hegaus, rechts aber liegt das weite Wellland des südlichen Schwarzwalds mit seinen tannendunklen Runzeln vor den Blicken ausgebreitet. Dazu kommt im Vorblick des südwärts schreitenden Wanderers wieder die Firnenwelt der immer deutlicher hervortretenden Alpen und das Kettengewirr des nachbarlichen Schweizer Jura. Auch die Beschaffenheit des Gebirgsstücks selbst erfreut durch seine käftige Natur. Die Alb erhebt sich hier noch einmal zu der bedeutenden Kammhöhe von mehr als 900 m, die nach beiden Talseiten einen Höhenabstand von über 400 m ermöglicht. Dabei entwickelt sie nach der Wutachseite einen so scharfen Steilrand, dass wir lebhaft an den Neckartrauf der Alb erinnert werden. Und nicht zum Letzten erfreut das urwüchsige, den ganzen Kamm überziehende Waldgebiet, wo Alb-, Schwarzwald und Alpenpflanzenwelt sich ein Stelldichein geben. - Die hauptsächlichsten Aussichtspunkte des großartigen Panoramawegs, der im Waisschen Führer ausführlich, allerdings in der weniger geeigneten Richtung von Süd nach Nord beschrieben ist, sind auf der nördlichen (badischen) Hälfte das Randendorf (832 m; bester Standpunkt beim "Buchenen Stumpen" auf der Straßenpasshöhe, eine Viertelstunde südlich vom Dorf, Blick nach Hegau - Bodensee) und der Klausen (beim Klausen- oder Randenhof, 835 m überraschender Steilrandblick nach der Wutachseite mit Strategischer Bahn); auf der südlichen (schweizerischen) Hälfte die Randenburg bei Schleitheim (900 m, unteres Wutachtal mit Stühlingen und bester Überblick über den Schwarzwald), der Siblinger Randenturm (793 m, Gesamtansicht des fruchtbaren Klettgaus mit dem Schweizer Jura und den Alpen) und der Beringer Randenturm (652 m, Rheintal mit Schaffhausen).
Immerhin ist diese Kammwanderung über den Randen ein strenger Tagesmarsch, und - so reich sie an Naturschönheiten ist - etwas Unersetzliches bietet sie eigentlich nicht. Denn schöne Ansichten des Hegaus haben wir ja weiter östlich schon zur Genüge genossen, und auch für die Aussicht nach Westen stehen noch zwei andere Standpunkte zur Verfügung, die leichter und bequemer mit dem Besuch der Strategischen Bahn und der Wutachschlucht verbunden werden können und mindestens ebenso freie Überblicke über das Wutachgebiet und den Schwarzwald gewähren. Es ist das Brüderpaar Buchberg (876 m) und Eichberg (914 m) bei Blumberg; ersterer ein freiliegender Vorberg des Randen, letzterer die Westecke der schon oben erwähnten "Länge". Beide Gipfel ergänzen sich, indem der Buchberg mehr das untere Wutachtal mit der Strategischen Bahn, der Steilwand des Randen und dem Schweizer Alpenvorland, der Eichberg mehr das obere Wutachtal mit der Hauptmasse des Schwarzwalds beherrscht. - Eigentümlich sind die Eindrücke, wenn wir auf diesem westlichsten Vorposten der Alb den Schwarzwald wie eine Landkarte vor uns liegen sehen. Gewiss, diese durch zahllose Schluchten, Waldstücke und Ortschaften belebte Landschaft muss unser Auge lebhaft beschäftigen, auch wenn wir nicht wüssten, dass es das berühmte Schwarzwaldgebirge ist. Aber eigentlich sind es doch mehr Gefühle der Enttäuschung als der Bewunderung, die uns dabei überkommen; ja es sind Gefühle des Stolzes, wie sieghaft unsere Alb den Schwarzwald zu ihren Füßen zwingt, der hier als eine Vorterrasse der Alb erscheint, kaum anders als wenn wir vom Gipfel des Rosensteins oder Hohenstaufen auf das Hügelland des Welzheimer Waldes hinunterblicken. Es ist eben die Flachseite des Gebirgs, die sich uns hier zeigt; und selbst seine höchsten Erhebungen erscheinen so abgeflacht und unansehnlich, dass der Albwanderer nur mitunter um Pfingsten, wenn die Schneehaube des Feldbergs von der ringsum lachenden Frühlingswelt seltsam absticht, ihre Größe ahnt.
Aber auch ein Gefühl des Bedauerns und der Beschämung mischt sich ein, darüber, dass wir solch wichtige Grenzposten so lange unbesetzt ließen. Schon hat der Badische Schwarzwaldverein, der wegen des staatlichen Zusammenhangs diese Gegend als seinen Bereich betrachtet, vom Eichberg durch Errichtung einer neuen Schutzhütte Besitz ergriffen. Und wenn wir uns mit den Bewohnern der Umgegend unterhalten, so hören wir nur immer viel vom Schwarzwald und Schwarzwaldverein reden: die Alb und vollends der Albverein ist in dieser Gegend kaum dem Namen nach bekannt. Und doch gehört sie zur Alb. Jedes Steinchen auf dem Weg, ja selbst die anheimelnden Buchenwälder auf dem Buchberg und Eichberg erinnern uns, dass wir hier auf echt albhaftem Boden stehen. Etwas ganz Großes müsste hier geschehen, um den verlorenen Boden weder zu gewinnen, etwa ein weithin als Firmenschild des Albvereins wirkender Aussichtsbau auf einem dieser Grenzberge und eine glänzende Festfahrt, wo der Verein seine Tausende aufmarschieren ließe! Und auch besondere Grenzobmänner täten not, deren Aufgabe es wäre, die Grenzmarken zu wahren oder zu erobern. Der Übergriff des Württembergischen Schwarzwaldvereins in der Baar, gegen den sich der Albverein so kräftig gewehrt hat, erscheint verhältnismäßig belanglos gegenüber den hohen Werten, um die sich hier der Schwarzwald auf Kosten der Alb bereichert. Noch wäre vieles zu retten. Der herrliche Kammweg z.B. von Witthoh über die Hegau-Alb und den Randen nach Schaffhausen ist vom Schwarzwaldverein noch nicht in Beschlag genommen. Hier sollte der Albverein nicht säumen und seine Hauptweglinie bis zum Rheinfall fortführen, der ein würdigeres Endziel wäre als der landschaftlich unbedeutende Durchgangspunkt Tuttlingen.