Die schönsten Aussichtspunkte der Schwäbischen Alb

Eine vergleichende Übersicht von Otto Häcker 

5. Die Alb von Kirchheim bis Reutlingen (Zentralalb)

Quelle: Blätter des Schwäbischen Albvereins, XVII. Jahrgang 1905, Nr.2
(4.Fortsetzung)

Lenninger Tal

Mit dem Westrand der Schopflocher Platte haben wir zugleich den Saum des Lenninger Tals erreicht. - "Lenninger Tal!" welchem Schwaben klingt das Wort nicht bekannt in den Ohren? Und wem fällt dabei nicht ein anderes Wort ein: Kirschenblüte! Es ist ein althergebrachter Satz - man weiß nicht, von wannen er kommt -, ins Lenninger Tal müsse man zur Kirschenblüte gehen. Ach, wie viel unnötige Enttäuschung hat schon diese Legende von der Kirschenblüte gebracht! Denn es gibt so ungeschickte Leute, die mit diesem Vorsatz im Kopf auf ihrem ganzen Sonntagsausflug nichts anderes zu tun wissen, als im Tal nach blühenden Kirschenbäumen herumzusuchen, und die schließlich die einzige Weisheit heimnehmen, mit der Kirschenblüte sei es Schwindel, das habe man daheim auch. Und doch ist etwas Wahres an dem alten Lockruf, gerade um diese Jahreszeit zu kommen: nicht um der Kirschenblüte willen, die man allerdings in jeder beliebigen Gegend des Albvorlandes oder Unterlandes ebenso gut sich anschauen kann, sondern weil gerade um diese Zeit auch die Albberge selbst am schönsten sind. Darum laß die Kirschenbäume und steig hinan zu den Wäldern, wo aus dem Glanzbraun der Buchenzweige das erste zarte Grün des Waldbodens schimmert und der edle Blumenflor des Vorfrühlings prangt, blick herab von den Felsenrändern ins Tal, wo das junge Saftgrün der Wiesen aus dem braunen Rahmen der Waldwände so leuchtend hervorstrahlt, und schau rings umher den Leib des Gebirges mit seinen rauhkantigen Rippen und Runzeln, seinen weißen Zähnen und Rückgratzacken, alles noch in nackter Urgestalt, nur leicht umschleiert durch das lose Netz des knospenschwellenden Waldgeästs, - dann enthüllt sich dir ein Formen- und Farbenreichtum, wie du ihn im Spätfrühling oder Hochsommer vergeblich suchst, wann ein gleichfärbiges Dickgrün Wälder, Wiesen und Felder überzogen hat und die scharfen Linien des Gebirgs unter dem dichten Mantel des Laubwaldes verborgen liegen! Erst zur Sterbezeit der Planzenwelt, wann der große Künstler Herbst durch die Täler zieht und die Gewänder der Berge mit seinen Purpurfarben übermalt, erwacht die Alb aus ihrem Sommerschlaf zu neuem Leben und neuen Wundern...

Der Ostrand des Lenninger Tals (also Westrand der Schopflocher Platte), der vom Rauber über die Wielandsteine zu den Gutenberger Höhlen führt, ist wie der entgegengesetzte Rand dieser Berghalbinsel zu sehr ausgezackt, um eine förmliche Randwanderung zu ermöglichen; wenigstens ist bis jetzt kein gangbarer Randweg vorhanden. Man geht gewöhnlich von der Diepoldsburg schräg über die Hochebene zum Wielandstein und von da wieder querdurch zu den Gutenberger Höhlen. Und das genügt auch. Denn die Wielandsteine (697 m) sind der Hauptpunkt der Strecke, der die weiteren Randpunkte entbehrlich macht. Der richtige Aussichtspunkt ist übrigens nicht auf der vorgeschobenen Bergzunge zu finden, die von den gewaltigen Felstürmen der Wielandsteine selbst besetzt ist, sondern auf dem dahinter an der Bergkante thronenden Greutfelsen (oder Hochgereut, 788 m), dessen unscheinbarer Zugangspfad im Walddickicht leicht übersehen wird. Im Vordergrund die pittoresken Wielandsteine, in der Tiefe das gesegnete Lenninger Tal, gegenüber die scharf umränderte Lenninger Platte, die wegen ihrer etwas tieferen Lage vollständig überschaut wird, und im Talausschnitt ein großes Stück Unterland: ein geschlossenes Gesamtbild voll Klarheit der Anordnung, voll Harmonie der Kontraste. - Die anderen hübschen Felsenpunkte zwischen Rauber und Wielandstein - Lämmlesfels beim Engelhof, Mittagsfels über Oberlenningen - bieten nur Wiederholungen. Eher wäre es der Mühe wert, auf der zweiten Hälfte der Strecke (vom Greutfelsen bis zu den Gutenberger Höhlen) einen Randweg herzurichten, um den schönen Einblick ins gegenüberliegende Schlattstaller Tal nicht zu versäumen. Doch ist's auch nicht ohne Reiz, zur Abwechslung ein kurzes Stück der Hochebene zu durchqueren, um nachher die Überraschung zu genießen, wenn beim Krebsstein der Fuß plötzlich wieder an den Abgrund tritt.

Wie das Neidlinger Tal den Reußenstein, so hat auch das Lenninger Tal einen Talschluß von hervorragender Anziehungskraft: den Felsenkessel von Gutenberg mit seinen funkelnden Tropfsteinhöhlen. So sorgt die Bauart des Gebirgs von selbst für geistige Erfrischung des Wanderers: auf die lichtvollen Fernblicke der Stirnränder folgt die lauschige Abgeschiedenheit der Talwinkel. - Um einen richtigen Eindruck von der einzigartigen Lage Gutenbergs zu gewinnen, ist es notwendig, zwei Felsenpunkte zu besuchen, die mit der Besichtigung der Gutenberger Höhlen verbunden werden können: erstens den Felsengarten des Krebssteiner Wirts auf der Westseite des Gehöfts Krebsstein (714 m), wo der Wanderer beim Trunk in der ländlich einfachen Gartenhütte eine Gesamtsicht des Talkessels genießt, der mit der Felsenklause "Pfulb" so großartig abschließt, und dann drüben den Rand der Pfulb selbst, und zwar den Ostrand, 5 Minuten südlich von Schopfloch (761 m), wo der Blick über die jähe Felsenkluft hinaus in das sich weitende Tal eine der packendsten Szenerien der ganzen Alb abgibt. - Von den übrigen Ästen des vierteiligen Talschlusses bieten die beiden mittleren, das Donntal, mit der Ruine Sperberseck, und die wasserlose Böhringer Schlucht nichts Hervorragendes. Der westliche Arm dagegen, das Schlattstaller Tal, endigt in einer Doppel-Felsschlucht, die zum Wildesten und Urwüchsigsten der Alb gehört, der großen und kleinen Schröcke. Um einen richtigen Eindruck zu bekommen, darf man sich aber nicht mit dem vielbegangegen Weg von Gutenberg durch die Kleine Schröcke nach Urach begnügen, sondern darf den kleinen Abstecher zu dem zwischen beiden Schluchten trefflich gelegenen Schröckenfelsen nicht scheuen.

Der Westrand des Lenninger Tals von Schlattstall bis zur Bassgeige besteht aus einer verhältnismäßig schwach gegliederten Wand mit ziemlich ebener Kante und vermag deshalb vom Tal aus gesehen nicht in gleichem Maße zu fesseln wie der markig ausgeprägte Ostrand mit Teck, Rauber, Wielandstein, Krebsstein. Umsomehr eignet sich diese Talseite als Aussichtsstandort, umsomehr eignet sie sich auch zu zusammenhängender Randwanderung und bildet eine landschaftlich so genussreiche Verbindungslinie zwischen Gutenberg und Hohenneuffen, dass es zu verwundern ist, wie wenig Beachtung bisher dieser Höhenweg gefunden hat. Erst von hier aus gesehen offenbart sich das Lenninger Tal in seiner ganzen Farbenpracht. Während von den gegenüberliegenden Rändern das Tal immer nur stückweise zu sehen ist, liegt es hier von den hintersten Felsenwinkeln bis zum Neckar hinab in einer Linie mit all seinen Schmuckstücken offen vor Augen, und der Teckberg, frei vor dem Talausgang als Beschützer und Herrscher des Tals aufgepflanzt, kommt erst hier in seiner ganzen landschaftlichen Größe zur Geltung.

Der rüstige Fußgänger, der die Randwanderung schon hinten am Schröckenpaß beginnt, wo der Heidengraben die Neuffener Platte abschließt, findet auf dem Rundweg am Saum des Schlattstaller Seitentals verwegene Felsenstandorte, die den Schröckenfels an Wildheit noch übertreffen, namentlich auf der weltabgeschiedenen Ruine Hofen oder noch besser auf dem ihr nördlich jenseits einer Kluft gegenüberliegenden Felsenrand. Dann geht's über die Fahrsteige Oberlenningen - Grabenstetten, die von Bequemeren als Aufstieg gewählt werden mag, zu der Bergecke zwischen dem Schlattstaller Tal und dem Haupttal vor, die auf der Karte den Namen Wachtelberg führt. Hier, wo eine Waldschneise mit Ruhebank am Platz wäre, überrascht ein entzückender Einblick in den Felsenkessel von Gutenberg. Es ist der einzige Punkt, wo man dieses abgeschlossene Stück Landschaft von außen gleichsam wie durchs Schlüsselloch sehen darf. Dann folgt de 3stündige Glanzstrecke am Rande des Haupttals mit einer Reihe köstlicher Felsenstandorte. Gleich einer der günstigsten Punkte ist ein noch namenloser Felsvorsprung an der Nordseite der Bergrinne, durch die der Fußsteig Oberlenningen - Grabenstetten die Hochebene erklimmt. Die Talstrecke von Oberlenningen bis Owen mit ihren vier freundlichen Ortschaften liegt hier in reizvoll verkürzter Linie vor Augen, symmetrisch umhüllt rechts von dem schlank geformten Teckberg, links von der basteiartigen Bassgeige; der Talausblick läßt ein hübsches Stück Unterland mit Rotenberg, Kernen, Wunnenstein frei; die gegenüberliegende Bergwand schmücken die Wielandsteine, den Blick talaufwärts die Pfulbfelsen und die Gutenberger Steige. - Von hier geht's über die Hirschtalfelsen hinter dem turmähnlichen Konradsfelsen vorbei zum Südrand des scharf eingeschnittenen Schmaltals mit fortdauernder Prachtschau, besonders von der vordersten Felsenkanzel des Schluchtrandes. Die genannte Seitenschlucht mit dem merkwürdigen Kesselfinkenloch scharf umgehend gelangt man über die sonnigen Kammfelsen hinaus zu dem zerklüfteten Schrofelfelsen (oder Schröffelfels, 700 m), wo zu dem bisherigen Bild noch eine allerliebste Überraschung kommt: ein Durchblick durch den Sattelbogen zwischen Teck und Rauber auf den bläulichen Hohenstaufen. Endlich geht's an Erkenbrechtsweiler vorbei, dem Ostrand der Bassgeige entlang hinaus zum Bruckerfelsen (726 m), dem einzigen bekannteren und stärker besuchten Punkt der Strecke, der einen besonders bei Abendbeleuchtung günstigen Rückblick talaufwärts neben viel Flachlandschau gewährt.

Alle die genannten Randpunkte zwischen Wachtelberg und Bruckerfels bieten zwar im wesentlichen denselben Stoff. Aber dieser Stoff ist so köstlich, dass er nicht so bald sättigt. Überdies sorgen die Felsen im Vordergrund und die allmählichen Talverschiebungen für Abwechslung. Der eilige Fremde, der sich mit einer Teilstrecke begnügen muss, möge die Strecke vom Ende des Schmaltals über den Schrofelfelsen nach Erkenbrechtsweiler wählen, da die hintere Strecke derzeit noch mühsamer zu begehen ist und die vordere Strecke (von Erkenbrechtsweiler bis zum Bruckerfels) den landschaftlichen Nachteil hat, dass sie die Teck von ihrer weniger günstigen Langseite zeigt. Wer aber in der Zeit oder Kraft so beschränkt ist, dass er nur eine der beiden Seiten des Lenninger Tals ersteigen kann, dem geben wir mit Baedeker den Rat, Teck nebst Rauber und Breitenstein zum Opfer zu bringen, um einen der Randpunkte der westlichen Talseite besuchen zu können, von wo er ja zugleich ohne weitere Steigung zum Hohenneuffen gelangen kann.

Mit dem Brucker Felsen sind wir schon an der Stirnseite der ausgedehnten Berginsel zwischen Lenninger und Uracher Tal angelangt, die wir die Neuffener Platte nennen. Denn ihr Hauptpunkt ist der Hohenneuffen (743 m). Obgleich kein voll entwickelter Vorberg, sondern mehr ein stark vortretender Erker der Hochebene, ist er doch der auffallendste und weithin am sichersten erkennbare Albberg. Und nicht bloß die auffallendste, sondern auch die schönste Berggestalt ist's. Denn von den vielen schöngeformten Kegelbergen der Alb trägt keiner einen so eigenartigen Kopfschmuck, wie diese dem Fels scheinbar natürlich entwachsene Mauerkrone. Freilich der Hohenzoller ist auch herrlich geschmückt und eine nicht minder köstliche Augenweide. Aber der Hohenneuffen mit seinen sagenhaft altehrwürdigen Mauern ergreift fast noch mehr das Gemüt, und seine Lage im Mittelpunkt des Glanzteils der Schwäbischen Alb hat er jedenfalls vor dem abseits gelegenen Zollern voraus. - Es ist ein guter Beweis für den Formenreichtum der Gegend, dass die Aussicht vom Gipfel des Hohenneuffen selbst, wo ja der Hauptschmuck der Landschaft im Bilde fehlt, doch in hohem Grad befriedigt. Der anschauliche Gegensatz zwischen den beiden Hälften des Rundbilds, der üppig fruchtbaren Tiefebene und der rauheren Hochebene, und der jähe, formbewegte Übergang zwischen beiden Landschaftsteilen ist fesselnd, und malerisch ist der Blick gegen Westen auf den schöngeschwungenen Neuffener Grat, der noch die Achalm freiläßt und einige hübsch geformten Vorkegel (Florian, Grafenberg) weit ins Unterland hinausschiebt.

Aber der Satz, dass die Umgebung des Hauptpunktes günstigere Aussichtsstandpunkte liefert als der Hauptpunkt selbst, erleidet auch hier keine Ausnahme; im Gegenteil gilt er von einem so hervorragenden Schaustück der Gegend in erhöhtem Maß. Und wenn wir uns unter den zahlreichen Aussichtspunkten des Umkreises, die Hohenneuffens Felsenbild schmückt, wieder nach dem Besten umsehen, so finden wir auch darin wieder einen Erfahrungssatz bestätigt, dass die Punkte der Gebirgsseite - auch abgesehen von dem weiteren Gesichtskreis - Vorzüglicheres bieten als diejenigen der Flachlandseite, nicht nur auf Grund der allgemeinen Regel, dass der Umriss eines Kegels von einem erhöhten Standpunkt aus günstiger wirkt als von unten, und dass das duftig abgetönte Flachland einen wirksameren Hintergrund abgibt als eine nahe Bergwand, sondern hier noch aus dem besonderen Grund, dass die Festung gerade der Bergseite ihre ansehnlichsten Teile entgegenstreckt, insbesondere ihre beiden mächtigen Rundtürme von fast künstlerischer Wirkung.

Das Berggebiet, dem die Gestalt des Hohenneuffen ihre volle Schönheit zeigt, fällt genau mit der Stirnseite der Neuffener Platte zusammen, also mit der Randstrecke zwischen den beiden Eckpfeilern Bassgeige und Kienbein. Nirgends ist's so einfach und mühelos, die zum Ausblick geeigneten Nachbarpunkte zu finden; und es gehört schon eine erhebliche Ungeschicklichkeit dazu, wenn ein Besucher des Hohenneuffen sich den Genuss entgehen läßt, auch einen dieser Standorte, wo ihm der Hohenneuffen als Bild gegenübersteht, in die Bergfahrt einzubeziehen. Wer den Berg vom Neuffener Tal aus besteigt und wieder dahin zurückkehrt, braucht nur einen viertelstündigen Spaziergang auf der mit reizenden Waldgruppen, Heiden und Randfelsen geschmückten Bergzunge zu machen, die den Hohenneuffen mit dem Albfestland verbindet. Denn schon aus nächster Nähe, wo der Felsenaufsatz des Bergs allein vor Augen steht, ist die Wirkung ergreifend, unvergeßlich. Aber sie steigert sich noch, wenn auf einem Randspaziergang abwärts zum Wilhelmsfelsen (730 m) oder südwärts bis zum oberen Ende der Steige Neuffen - Hülben der ganze Sockel des Bergs mit ins Sehfeld tritt. Am schönsten ist's vollends, die ganze Kante der Hochplatte zwischen dem Hohenneuffen und einem der beiden Eckpunkte Bassgeige oder Kienbein zu umgehen oder gar die ganze Strecke zwischen Lenninger und Uracher Tal. Denn gerade diese beiden Eckpunkte leisten das Vollkommenste an glücklicher Gruppierung dieser bevorzugten Landschaft, auch abgesehen davon, dass sie zugleich Einblicke in die Nachbargebiete gestatten, die Bassgeige ins Lenninger Tal, das Kienbein ins Uracher Tal.

Quelle: Blätter des Schwäbischen Albvereins, XVII. Jahrgang 1905, Nr.3
Die schönsten Aussichtspunkte der Schwäbischen Alb
Eine vergleichende Übersicht von Otto Häcker  (5.Fortsetzung)

Von der Bassgeige - so genannt nach der scharf modellierten Form der Oberfläche - kennen wir ja schon die Ostseite mit ihrer trefflichen Gesamtansicht des Lenninger Tals vom Brucker Fels. Die Westaussicht gegen das Neuffengebiet finden wir auf dem Beurer Felsen (721 m), einem luftigen Felsenhorst am Ende des schmalen Geigenhalses. Herrlich steht hier der Hohenneuffen gegenüber an die Bergwand gelehnt, die hier durch keine unschöne Stelle entstellt ist (denn die kahle Beurer Rutsche ist hier verdeckt), und von deren Rücken das Dörfchen Erkenbrechtsweiler herübergrüßt. Auch das zu Füßen ausgebreitete Tiefland hat lebhafte Partien: vorn den anmutvollen Beurer Talkessel mit einigen ganz kleinen Vulkankegeln, dann die Kegel des Metzinger Albvorlandes und in der Ferne die ausgeprägten Hügel um Tübingen. - Eine ähnliche Eckbastei, wenn auch nicht so felsig, bildet im Westen das Kienbein (711 m), dessen urwüchsiger Name leider durch den nichtssagenden Namen "Karlslinde" verdrängt zu werden droht, seit die Hülbener ein Bäumchen dieses Namens auf der Bergecke gepflanzt haben. Hier, etwa 50 Schritte östlich vom Eckbänkchen, ist wieder ein auserlesener Standort, wo fast noch mehr als auf dem Beurer Fels die Neuffenlandschaft zu einem künstlerischen Bild geordnet erscheint. In stolzer Größe steht rechts wieder die Feste Hohenneuffen als Wächter des Neuffener Tals, das in schnurgerader Linie vom Ursprung bis zur Mündung mit all seinen vier stattlichen Ortschaften den Mittelgrund füllt, während zur Linken der weich geformte Neuffener Grat sich wie ein Lindwurm ins Flachland hinauswindet.

Diesem langgestreckten Vorgebirge, das nebst seinen vulkanischen Vorkegeln so wesentlich zum malerischen Charakter der Gegend beiträgt, ist noch ein Wort zu widmen. Die Bezeichnung "Neuffener Grat" soll nur als vorläufiger Ersatz für den immer noch fehlenden Gesamtnamen dienen. Der von Gustav Schwab vorgeschlagene Name "Sattelbogen" ist irreführend, weil so von den Umwohnern nur der durch die Mitte des Bergzugs führende Sattel genannt wird und überdies der Tecksattel denselben Namen führt.

Die bequeme, schattige und lustige Gratwanderung vom Kienbein übers Neuffener Hörnle zum Jusi bildet die geeignetste Wanderverbindung zwischen dem Hohenneuffen und der Neckarbahn und eine angenehme Abwechslung gegenüber den vorwiegenden Randwanderungen der Gegend. Doch bietet sie für den Kenner der benachbarten Hauptpunkte wenig Neues. Der höchste Punkt des Grats, das Neuffener Hörnle (707 m) wird erst dann von Bedeutung werden, wenn der längst ersehnte Aussichtsbau die Doppelschau ins Neuffener und Uracher Tal voll erschließt. Der vorderste Punkt, der Jusi (663 m), hat zuviel Flachland vor sich und das Gebirge zu sehr im Rücken, so erquickend auch die Rast und Umschau auf der anmutigen Heide des luftigen Scheitels ist. - Als Aussichtspunkte bedeutender sind die dem Jusi vorgelagerten Vulkankegel Florian (522 m), Grafenberg (463 m), Geigersbühl (408 m) und Metzinger Weinberg (488 m). Denn sie bieten vermöge ihrer vorgeschobenen Lage eine treffliche, namentlich bei Nachmittagsbeleuchtung günstige Frontansicht der Alb. Unter ihnen steht nicht nur durch seine Höhe, sondern auch durch seine glückliche Lage der Floriansberg bei weitem an erster Stelle und ist mit Recht längst als einer der vorzüglichsten Aussichtspunkte der Schwäbischen Alb bekannt. Er ist der einzige Berg der Alb, wo Hohenstaufen und Hohenzoller gleichzeitig sichtbar sind.

Denn auf dem Grafenberg hindert eine nahe Waldhöhe den Blick zum Hohenstaufen.

Sie bilden gerade die Eckpunkte des Panoramas, beide etwa gleich weit entfernt, und so stehen wir hier recht eigentlich in der Mitte der Schwäbischen Alb. Trotz dieser Ausdehnung des Blicks ist man dem Gebirge noch nahe genug, um einen vollen Einblick in seine reiche Gliederung zu bekommen. Mit plastischer Deutlichkeit treten die Hauptpunkte (Neuffen, Achalm, Teck u.a.) über den Horizont hervor. Der rundliche, vom Albtypus so auffallend abweichende Jusi bildet einen seltsamen, aber nicht unwürdigen Mittelpunkt des Aufbaus; denn er ist ja der Zentralvulkan des Eruptivgebiets, in dessen Mitte wir hier stehen. Auch ein Einblick in ein Gebirgstal fehlt dem Florian nicht: das Ermstal mit Hohenurach.

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