Im Gebiet der Starzel und Eyach kommt der Neckartrauf der Schwäbischen Alb noch einmal zu vollem Glanz auf. Wie sich auf der ganzen Linie Vorberge und Felsentäler als die hauptsächlichen Erzeuger landschaftlicher Schönheit erwiesen haben, so ist's auch in diesen beiden nachbarlichen Gebirgsteilen. In dem einen - dem Starzelgebiet - ist's ein Vorberg, nur einer, aber der herrlichste von allen, in dem andern - dem Eyachgebiet - ein Felsental, aber das wildeste, hochgebirgsmäßigste.
Das Starzelgebiet oder die Zolleralb vom Dreifürstenstein bis zum Hundsrück ist durch den Hohenzollern alles. Denkt man sich den Hauptpunkt weg, so würde die Zolleralb mit ihren spärlichen Felsen und ihrer wenig entwickelten Gliederung die Steinlachalb nicht übertreffen, ja ihr nachstehen. Dieser einzige Berg aber erhebt das ganze Gebiet unter die Landschaften vorderster Reihe. Ist schon von Natur der hoch und freiragende, der Achalm ähnliche Kegel nicht nur einer der höchsten (855 m), sondern auch einer der schönsten Vorberge der Alb, so hat er durch die Kaiserveste, diese stolzeste aller deutschen Burgen, einen so glücklichen, den natürlichen Umrissen so trefflich angepassten Kopfschmuck erhalten, dass dieses aus Natur und Kunst gefügte Gesamtgebilde bei aller Großartigkeit einen anmutigen, fast zierlichen Eindruck macht und das prächtigste Zierstück der Schwäbischen Alb genannt werden darf.
So schön der Hohenzoller zum Ansehen ist, so wenig befriedigt die Aussicht von seinem Gipfel. Dieses Urteil ist nicht neu, sondern man kann es täglich von den Besuchern der Burg aussprechen hören, und auch in den Reisehandbüchern ist's zu lesen. Für uns hat diese Tatsache nichts Auffallendes. Gerade in einer Gegend, die ihren landschaftlichen Glanz so ausschließlich von einem Punkt aus erhält, muss sich ja unsere schon oft erkannte Regel am sichersten bewähren, dass der Glanzpunkt selbst gerade als Aussichtsstandpunkt am ungeeignetsten ist. So wird auch unwillkürlich jeder, der ein Gemälde oder eine Photographie von der Gegend aufnehmen will, sich jeden anderen Standpunkt eher wählen als den Zollergipfel selbst.
Es ist nicht schwer, befriedigende, ja entzückende Standpunkte zur Betrachtung der Schönheiten des Zollergaus zu finden. Der Berg steht so frei gleichsam auf dem Vorlegteller da, dass schon im Vorland sich zahllose Standpunkte zu seiner Besichtigung darbieten; gibt ja schon die Eisenbahnfahrt zwischen Tübingen und Balingen ausgiebige Gelegenheit zur Betrachtung der Burg von drei verschiedenen Seiten. Aber doch möchte ich dringend raten, sich nicht mit der Ansicht vom Tal aus zu begnügen. Denn wiederum bewährt sich hier ein schon oft erkannter Satz. Nur dem offenbart sich der Berg in seinem vollen Schönheitszauber, der emporsteigt zu den dahinter liegenden Gebirgsrändern, wo er die Berggestalt in unverkürzter Höhe vor sich schaut, von den zarten Tönen des Flachlands umspielt. Erst wer einmal von einer solchen Nachbarhöhe den Kaiserberg erschaut hat, lernt ihn recht schätzen und lieben. Von unten mag er vielleicht manchem den Eindruck eines protzigen Fremdlings machen, der mit Aufdringlichkeit die bescheidene Landschaft ringsum in den Schatten zu stellen sucht. Hier oben aber lernen wir verstehen, wie innig auch dieser Berg mit unserer Schwabenalb verwachsen ist, wie verständig er sich ins ganze Gebirgsbild einfügt in freundnachbarlicher Wechselwirkung und Ergänzung.
Wohin sollen wir also steigen, um den richtigen Standpunkt zu finden? Die Frage ist nicht mit einem Wort zu beantworten. Es gibt eine ganze Menge von Punkten am Albrand, die des freien Blicks auf den nahen Kaiserberg teilhaftig sind. Für sich allein betrachtet ist jeder dieser Punkte eine Sehenswürdigkeit ersten Rangs. Aber ihre Ähnlichkeit nötigt zu einer Auswahl. - Drei Punkte kommen vor allem in die engere Wahl, die nach Ortslage und Aussichtsart am meisten Gegensätzlichkeit zeigen: der Dreifürstenstein an der Nordostgrenze, der Hundsrück an der Südwestgrenze und das Zellerhorn in der Mitte.
Blick vom Zellerhorn zum Hohenzollern
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Das Zellerhorn (911 m), ein wonniges Luginsland, das auch des Felsenschmucks nicht entbehrt, hat als nächster Nachbarberg des Zollern schon den äußeren Vorzug, dass sein Besuch am bequemsten mit demjenigen der Burg selbst verbunden werden kann. Aber auch sein innerer Wert bestimmt sich nach dieser Lage. So recht für sich allein aus unmittelbarster Nähe kann man hier den Herrscher betrachten. Im Freilicht steht er da, abgesondert von dem ehrerbietig zurücktretenden Volk der Berge. Dabei erlaubt er hier von der Rückseite her den besten Einblick in den stufenartigen Aufbau und die innere Gliederung des Bauwesens, das hier nicht wie von vorn als pomphaft aufgesetztes Prunkstück, sondern als eine dem Felsengrund gediegen angepasste und natürlich entwachsene Bergfeste erscheint.
Dreifürstenstein (855 m) und Hundsrück (931 m) zeigen dagegen den Zollerberg in der Seitenstellung, wobei sein Verhältnis zum Albfestland besser zur Geltung kommt. Durch einen schön geschwungenen Waldsattel mit diesem verbunden scheint er als gekrönter Feldherr, das Schwert hoch vorstreckend, der Heeresmasse voranzuschreiten, als deren Vordermann das Zellerhorn ihm mit strammem Schritte nachrückt. Dabei zeichnet sich der Dreifürstenstein durch sein geschlossen gruppiertes Gesamtbild, der Hundsrück durch seine Doppelschau aus: dort das belebte Starzeltal mit der Stadt Hechingen im Vordergrund, die kraftvoll geformten Lochenberge als Hintergrund prächtig zusammenwirkend; hier nach zwei Seiten eine Prachtgruppe: nordwärts die Zollerlandschaft, südwärts die schon nahegerückte Felsenbergwelt um die Pforte des Lautlinger Tals.
Bei der Frage, welcher dieser drei ebenbürtigen Punkte vorzuziehen sei, mögen Reiserichtung und andere Zweckmäßigkeiten zu Rat gezogen werden. Aber auch eine landschaftliche Erwägung darf nicht außer Acht bleiben: das ist die vorzügliche Tauglichkeit der Zolleralb zu genussreichen Randwanderungen. Kein Besucher der Gegend möge sich die Gelegenheit entgehen lassen, den Hohenzollern sich ein Stück weit als Reisebegleiter anzuwerben und in gleichem Schritt mit ihm an den lustigen Felsenkanten des Gebirgswalls hin zu marschieren, nicht die ganze Linie entlang - das würde abstumpfend wirken -, aber wenigstens auf einer der vier natürlichen Teilstrecken.
Da ist als erste Randstrecke der Nordostsaum des Killertals vom Dreifürstenstein bis zum Talschluss, zugleich Westkante des geographisch noch zur Steinlachalb gehörigen Heufelds. Sie würde eine der ebensten und bequemsten Randwanderungen der Alb abgeben, wenigstens auf der Strecke von vorn bis zu der tief eingeschnittenen Seeheimer Talschlucht, und auch landschaftlich würde sie durch die allmählichen Verschiebungen des hübschen Starzeltals und des Zollerkegels selbst in hohem Grade lohnen. Aber solange ein gepflegter Saumpfad fehlt, wird sie den anderen Strecken nachzustellen sein.
Blick vom Raichbergturm übers Nägelehaus auf Onstmettingen und die Burg (975 m, links)
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Die zweite Randstrecke auf der entgegengesetzten Seite des Killer-(Starzel-)Tals beginnt mit dem Himberg bei Jungingen (852 m) und führt am Nordrand der Onstmettinger Platte, des Mittel- und Hauptstücks der Zolleralb, zum Zellerhorn hinaus, wobei sie auch den höchsten Punkt der Gegend, den Raichberg (955 m), berührt. Sie teilt mit der dritten Strecke den wichtigen Vorzug, dass sie auf den Hohenzollern selbst lossteuert und zum Besuch der Kaiserburg am Schluss der Wanderung einlädt.- Dass sie das Schaustück nicht übersättigend oft zeigt, sondern nur am Anfang am Himbergrand - wo die Burg in duftiger Schlankheit durchs Waldgebüsch schimmert - und am Schluss beim Zellerhorn - wo sie in majestätischer Grösse aus dem Abgrund taucht - , mag auch als Vorzug gelten; denn auf der Zwischenstrecke sorgen die Merkwürdigkeiten des "Hangenden Steins" für Unterhaltung.
Die dritte Strecke, die wie die zweite als Albvereinshauptlinie hübsch gangbar gemacht ist, befriedigt am meisten das Bedürfnis nach prächtigen Nahbildern des Kaiserbergs und hat den weiteren Vorzug, dass sie gar keinen nennenswerten Anstieg erfordert. Denn sie beginnt auf der Bahnstation Onstmettingen, die selbst schon 800 m hoch (also um 100 m höher als der Gipfel des Rechbergs und der Achalm) liegt, und führt an dem 900 m hohen Westrand der Onstmettinger Platte hin gleichfalls zum Zellerhorn, und zwar vom Stichpass an (826 m) stets dicht am Abgrund hin, teilweise in hochgebirgsmäßiger Verwegenheit, die Schwindelfreiheit erfordert. Ein überwältigender Eindruck ist's, wenn man aus dem öden Hochtal beim Stichwirtshaus zum Bergrand emporsteigend plötzlich aus unsichtbarer Tiefe hinter der jenseitigen Gebirgskante die turmreiche Feste auftauchen sieht, einer Gralsburg gleich, scheinbar in übernatürlicher Größe. Erst wenn auch der Sockel des Bauwerks mit aufgetaucht ist, erscheint es dem Auge in natürlichen Verhältnissen und zeigt sich auf dem hübschen Blasenberg ob dem Schmiecha-Ursprung erstmals in ganzer Pracht. Von den zahlreichen Ausblicken auf dem Weiterweg bis zum Zellerhorn wollen wir nur noch den gastlichen Zollersteighof (901 m) oder vielmehr eine 5 Minuten nördlich von demselben in der Richtung gegen den "Schöllerrandelbühl" gelegene Anhöhe hervorheben, wo einerseits das Bild der Kaiserburg von Waldwänden einer Schlucht wirksam umrahmt erscheint, andererseits die sehr ansehnlichen Binnenkuppen Burg und Braunhardsberg bei Tailfingen mehr als sonst den Blick nach dem Innern der Albhochfläche ablocken. Auch wer die zweite Strecke gewählt hat, wird den kurzen Abstecher vom Raichberg zum Zollersteighof schon des freundlichen Höhenwirtshauses wegen nicht bereuen.
Die vierte Strecke beginnt gleichfalls in Onstmettingen und führt am Nordrand des südlichen Flügels der Zolleralb, den man die Pfeffinger Platte nennen kann, über den Irrenberg (920 m, gleichfalls mit Zolleransicht) hinaus zum schon erwähnten Hundsrücken, dem letzten, höchsten und vorgeschobensten Randberg der Zolleralb, der sich schon von Tübingen aus gesehen so auffallend neben den Zollern stellt. In ihrem gegenwärtigen Zustand ist diese Strecke weniger zu empfehlen.
Wenn aber einmal richtige Randwege angelegt sind und die Aussicht des Hundsrückens besser freigelegt ist, so wird dieser Berg mit seiner beherrschenden Zwischenstellung zwischen der Zoller- und der Eyachlandschaft vielleicht der großartigste und lohnendste Aussichtspunkt beider Gebiete und der Weg von Onstmettingen über Hundsrück und Hirschberg nach Balingen eine der lohnendsten Wanderungen der Alb werden, namentlich für solche, die auf einem Gang gleichzeitig die Zolleralb und das Eyachgebiet kennen lernen wollen. -
"Kein Bezirk unseres Landes ist reicher an landschaftlichen Schönheiten." So beginnt Eduard Paulus seine mit dichterischem Schwung geschriebene Landschaftsschilderung des Eyachgebiets in der Balinger Oberamtsbeschreibung. Und in der Tat, auch wer frisch von den schönsten Teilen der mittleren Alb herkommt, wird hier noch ein Gefühl der Steigerung haben. Freilich die Steigerung ist nur scheinbar: wer den Weg umgekehrt macht, wird dort die Steigerung gleichfalls empfinden, ja in noch merklicherem Grad. Die vermeintliche Steigerung ist nur eine Veränderung der landschaftlichen Art. Während auf der ganzen mittleren Alb vom Rosenstein bis zum Zollern die Berge und Täler bei aller Mannigfaltigkeit doch eine unverkennbare Familienähnlichkeit an sich tragen, hat man bei dieser Landschaft den Eindruck, als sei sie mit Zügen einer fremden Rasse durchkreuzt. Die Verschiedenheit liegt nicht in der größeren Höhe - denn die Höhe überm Tal ist dieselbe, und die höhere Lage über dem Meer hat keinen Zonenwechsel zur Folge: hier wie dort unten noch Obstwälder, oben noch Ackerland; auch die Gebirgsformung ist keine andere: es sind dieselben scharfen Kanten, dieselben weißen Felsen, dieselben ausgeprägten Inselvorberge. Die Wesensverschiedenheit liegt wohl nur in der anderen Art der Bewaldung, die den ganzen Charakter der Landschaft wesentlich beeinflusst. Während dort der Buchenwald den Bergen etwas Gedrungenes, Abgerundetes und der ganzen Landschaft etwas Lichtvolles, Mildes verleiht, gibt hier der vorherrschende Nadelwald den Berghängen etwas Brüchiges, Zerrissenes und dem ganzen Landschaftsbild etwas Starres, Finsteres. Bei unbefangenem Vergleich wird man nicht zögern, der Laubwaldlandschaft im allgemeinen den Vorzug zu geben. Das weiche, rundliche Gewoge des Buchenwaldes ergänzt so gut die eckige Härte unseres Juragesteins, dass wir uns die echte Alb eigentlich nicht ohne das Laubkleid vorstellen können und einen Fremden, der nur einen Teil der Alb besuchen will, immer zum Buchenwaldgebiet weisen werden. Wer aber auf einer zusammenhängenden Albreise begriffen ist, dem ist das neue Gewürz willkommen, das zum Kosten weiteren Stoffs empfänglich macht. Und noch etwas Weiteres kommt hinzu, was dem Wandern auf diesen Bergen einen besonderen Reiz verleiht: das ist die größere Verkehrsabgeschiedenheit, die größere Unberührtheit der Natur. Hier hat der Stein-, Tier- und Pflanzenfreund noch etwas zu entdecken, und auch der Landschafter kann hier noch Berge, Felsen und Schluchten finden, die noch in keinem Buch stehen, noch durch feine Farbstriche und Wegtafeln entweiht sind. Und dabei ist doch die Gliederung der Landschaft so übersichtlich, markig und großzügig, dass den Wanderer nicht leicht das Gefühl der Unsicherheit überkommt. Er spürt die Größe der Natur, ohne sich von ihr gedrückt zu fühlen.
Das Eyachgebiet zerfällt wieder in zwei verschiedene Landschaften, eine vordere und eine hintere. Die vordere Gruppe ist die Balinger Bergkette an der Stirnseite des Gebirgs, die vom Hundsrücken bis zum Plettenberg in weiter Rundung das dörferreiche Vorland mit der Stadt Balingen umringt. Die hintere Gruppe ist das Lautlinger Tal mit seinen felsstarrenden Rändern und seiner östlichen Fortsetzung.
Die amphitheatralische Stellung des Gebirgs und die auserlesene Gestalt einzelner Berge - namentlich der Lochen mit ihrem rassigen Felsgebiss und der nordwärts noch hereinschauenden Glanzgestalt des Hohenzollern - bewirken, dass jener Balinger Bergkranz schon von erhöhten Standpunkten des Vorlands aus, wie es z.B. der "Kleine Heuberg" bei Balingen ist, eine der bedeutsamsten und schönsten Stirnansichten der ganzen Alb gewährt. Die Eyachspalte teilt den Halbkreis in zwei Hälften: südwestlich die vier Lochenberge, nordöstlich den Hundsrück und die Burgfelder Höhe mit ihrem Doppelspiel Schalksburg-Böllert (Böllat). Alle diese Bergpunkte bieten Bedeutendes und Lohnendes. Wer der Gegend einen mehrtägigen Besuch widmen kann, wird sie alle aufsuchen; und auch wer auf einer Höhenlängswanderung begriffen ist, wird sie alle abschreiten. Wer aber eine Auswahl treffen muss, wird sich mit Recht von der linken Seite, wo die Lochen so grimmig herunterlacht, vorzugsweise angezogen fühlen.
In der Tat, wenn man von den "Lochenbergen" die drei östlichen Punkte Lochenstein, Schafberg und Lochenhorn als Einheit auffasst und zusammen besucht, so ist diese Bergfahrt, die sich von der Station Frommern auf der tannenfrischen, schwarzwaldartig sauberen Lochenstraße so bequem ausführen läßt, entschieden der lohnendste Ausflug der Gegend, und sind diese drei Berge zusammen ein Aussichtsgebiet allerersten Rangs. Denn in gegenseitiger Ergänzung zeigen sie zusammen alle wesentlichen Naturschönheiten des ganzen Gebiets; sie zeigen insbesondere den Hohenzollern, sie zeigen den Lochenstein selbst mit seinen Felspartien und sie zeigen endlich das Lautlinger Tal in voll erschlossener Schönheit.
Lochenstein von Westen
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Der Gipfel des in der Mitte gelegenen Lochensteins selbst (963 m), der vorzugsweise "die Lochen" (in weiblicher Einzahl) genannt wird, ist nicht der günstigste Aussichtsstandort. Viel vorteilhafter wird der landschaftliche Eindruck, wenn man westwärts am Rücken des Schafbergs (996 m) hinanwandelt, der auf einem Seitenhöcker gelegenen Ruine Wenzelstein entgegen, und nun das Auge rückwärts wendet. Hier haben sich die beiden Glanzgipfel der Gegend, der Lochenstein und der Hohenzoller zu einem eigenartigen Gesamtbild vereinigt: in duftigem Licht stellt sich der zierliche Zollerkegel mitten in die Lücke hinein, die der gewaltige Felsenzahn der Lochen und der gegenüberliegende Waldhang des Schafbergs freigelassen haben. Es ist ein landschaftliches Kabinettstück, das allein schon die Fahrt zur Balinger Alb lohnt. Und wenn wir uns auch noch stundenlang auf den köstlichen Matten des Schafbergs umhertummeln, um über die weite Albdecke weg zu den Schweizer Alpen zu spähen, in den Schlünden des "Gespaltenen Felsen" herumzuklettern oder von dem "Hohenfelsen" den Blick in das meerartig ausgebreitete Flachland zu tauchen, so werden wir uns doch immer wieder von jener einzig schönen Stelle angezogen fühlen. - Aber den Gipfel der Landschaftspracht und eine hochwichtige Ergänzung des bisherigen Aussichtsstoffs bringt erst der östlichste Eckpunkt der Lochenbergreihe, dessen Besuch um so weniger unterbleiben sollte, als der fast ebene Randspaziergang dorthin über weiche würzige Matten schon für sich allein ein Genuss ist. Der großartige Punkt hat noch nicht einmal einen feststehenden Namen. Die Tieringer, zu deren Markung er gehört, haben ihn schlechtweg das "Hörnle" getauft - und von ihrem Standpunkt mit Recht: denn für sie, die selbst auf der Höhe liegen, ist er nur eine unbedeutende, in die Tiefe hinaushängende Anhöhe. Die Talbewohner haben dem gewaltigen, drohend aufragenden Felsenabsatz den bezeichnenderen Namen "Hackenfels" aufgebracht. Der jetzt vom Albverein gebrauchte Name "Lochenhorn" (956 m) und seine Einbeziehung in die Gruppe der "Lochenberge" stammt aus der Studierstube. Der Punkt gewährt wie kein anderer einen gleichzeitigen Überblick des vorderen und des hinteren Eyachgebiets. Freilich die Aussicht von vorn kann, wenn man von den westlichen Punkten herkommt, nicht mehr recht befriedigen; oft fehlen die zwei hauptsächlichen Schmuckstücke: die Felsenseite des Lochensteins und der durch den Hundsrücken verdeckte Zoller. Um so überwältigender ist der Einblick ins Lautlinger Tal, das bisher vom Lochenhorn selbst wie von einem Torflügel versperrt war. Bis hinauf zum Ebinger Schlossfelsen liegt's nun in einer Vollständigkeit wie nirgends sonst vor dem Beschauer ausgegossen. Fast kein Punkt des in gedrängter Verkürzung gelagerten Tals mit seinem wuchtigen Felsenrändern fehlt im Bilde, das sich unter den Prachtlandschaften der Alb mit in die vorderste Reihe stellen darf.
Laufen an der Eyach, mit Gräbelesberg
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Mit diesen Glanzleistungen vermag die gegenüberliegende Hälfte des Balinger Bergkranzes nicht ganz gleichen Schritt zu halten. Außer dem mehrerwähnten Hundsrück als nördlichem Grenzpunkt, der bereits zwar als vorzüglich gelegener, aber noch nicht genügend erschlossener Aussichtsgipfel gekennzeichnet wurde, ist ihr wichtigster Bestandteil die Burgfeldener Platte mit dem kühn vorspringenden Randfelsen Böllat (oder Böllert, 920 m) und dem ruinengleichen Wald- und Felsenvorberg Schalksburg (869 m). Beide Punkte sind zwar berühmt und gern besucht, lassen aber nach dem Besuch der Lochenberge doch manches vermissen: es fehlt der Hohenzoller, die Lochen wendet ihr Felsenantlitz zur Seite, und das Lautlinger Tal ist vom Böllat gar nicht, von der Schalksburg nur zur Hälfte sichtbar. Neu und eigenartig wirkt nur das, was die beiden Nachbarberge sich gegenseitig bieten: einerseits von der Schalksburg der Aufblick zum gewaltig aufstrebenden Böllatfelsen und dem auf seinem Rücken bis keck an den Abgrund gelagerten Dörflein Burgfelden, andererseits vom Böllat der Niederblick über die Wannentalschlucht hinüber auf die malerischen Formen des Waldvorgebirgs, das die sagenhafte Burgruine trägt, und auf die Bogenlinie des schmalen Berggrats, der sie ans diesseitige Festland kettet. Ob diese Landschaftsgenüsse allein oder in Verbindung mit den altersgrauen Wandgemälden des Burgfelder Kirchleins hinreichen, um zur Ersteigung dieser Talseite zu locken, möge der Wanderer nach Zeit, Kraft und Geschmack selbst entscheiden.
Das Lautlinger Tal - so heißt die der Alb angehörige Strecke des Eyachtals - haben wir auf dem Lochenhorn schon so vollständig genossen, dass uns nicht viel Neues mehr zu sehen bleibt. Die beiderseitigen Randberge vom Lochenhorn einerseits und von der Schalksburg an andererseits bis hinauf nach Ebingen mit ihren Zwischenschluchten bieten zwar noch manche wildschönen Einzelbilder. Und wer einmal oben auf der Burgfelder Höhe oder auf dem Lochenhorn ist, möge nicht versäumen, noch einige dieser östlich benachbarten Randpunkte mitzunehmen, zumal da sie den Vorteil besserer Abstiege bieten. Denn der Weg von Burgfelden über den Heersberg (960 m) nach Lautlingen oder Lauffen ist aussichtsreicher und bequemer als der steinige Abstieg über die Schalksburg nach Lauffen, wie andererseits drüben der Umweg vom Lochenhorn über Hossingen nach Lautlingen zwar weiter, aber interessanter ist als der nächste Talabstieg vom Lochenhorn, da er Gelegenheit gibt, die Hossinger Schlucht kennen zu lernen, eine der schönsten Felsenklüfte der Alb, deren Leiterweg ein großartigeres Gegenstück zum Eybacher "Felsentäle" bildet.
Im übrigen aber ist's im Lautlinger Tal angebrachter, sich auch ein wenig unten herumzutreiben, und die netten Talorte Lauffen und Lautlingen mit ihrer großartigen Bergumgebung und ihren sauberen Wirtshäusern sich anzusehen. Auch die schönste Felsgestalt und die vornehmlichste Zierde des Tals, der Gräbelesberg (896 m), bietet von unten gesehen mehr Genuss als von seinem Gipfel.
Blick vom Schlossfelsen auf Albstadt-Ebingen
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Von den drei Stücken der Bergumrandung des dreistrahligen Talkessels steht das nordöstlichste Stück, das im Ebinger Schlossfelsen (952 m) mit seinem schmucken Aussichtsturm gipfelt, am verlockendsten da und wird am ehesten auch von Fremden aufgesucht. Gewiss ein herrlicher, man wird sagen können erstklassiger Punkt mit seiner unermesslichen Rundschau über die Albdecke bis zum Alpenhintergrund und den so gegensätzlichen Tiefblicken tälerwärts: geradeaus ins felsgeschmückte Lautlinger Tal, rechts und links ins schlichtere, aufwärts stark besiedelte, abwärts einsame Schmiechatal. Aber eines vermissen wir am Ebinger Schlossfelsen: das ist der Ausblick nach der Tiefebene, den wir durch die Spalte des Lautlinger Tals zu gewinnen hofften und ohne den eben doch ein wesentlicher Zug der Alblandschaft fehlt. Denn die scheinbar ganz unbedeutende Biegung des Tals bei Lauffen ist doch stark genug, um die untere Talstrecke hinter den nächsten Bergwänden der rechten Talseite verschwinden zu lassen, so dass das Tal durch den Querriegel des Lochenhorns zugesperrt ist. Der aufmerksame Beobachter wird daher unwillkürlich nach links weiterrücken, um den Talaustritt wieder frei zu bekommen; und sein Suchen wird belohnt, wenn er südostwärts, die Mulde der Bitzer Steige überquerend, vordringt bis zum oberen Ende der sog. Huckelturmsteige, da wo dieser Bergweg bei einer weithin sichtbaren Buche den Rand der hochgelegenen Ebinger Fohlenweide erreicht. Der Fernblick von hier auf ein Stück Neckarland und Schwarzwald bildet eine wesentliche Ergänzung der Schlossfelsenaussicht. Wohl kaum sonstwo findet man einen so weitreichenden Taldurchblick, zumal ins Neckarland von einem Punkt des Donaugebiets aus.
Noch viel freier und reicher aber sind die Fernblicke durchs Lautlinger Tal vom südlichen Randstück des Ebinger Talkessels, das zur Hardt gehört, einem sonst wenig anziehenden Teil der Albhochebene. Diese mit einer Reihe ansehnlicher Felszinnen geschmückte Randhöhe, die nach einem übrigens ziemlich weit entfernten badischen Hardtdorf der Schwenninger Berg (916 m) genannt wird, gewährt allenthalben sowohl von ihren Felskanten (Geißenkanzel, Malesfels) als schon von ihren Abhängen (z.B. von der alten Meßstetter Steige und dem an der "Degerwand" in der Richtung gegen Lautlingen hinführenden Waldrandweg) einen so vortrefflichen Überblick über Eyach- und Schmiechatal und so köstliche Ausblicke ins Neckarvorland, dass dieser Bergspaziergang der Besteigung des Schlossfelsen an Landschaftsreiz vorzuziehen und mit zum Lohnendsten auf der Alb zu rechnen ist.